In diesem Artikel stelle ich dir eine einfache, leicht anwendbare und gleichzeitig effektive Methode vor mit der du
- dich selbst analysierst und besser kennenlernst
- mehr in Balance kommst – und das ganz konkret
- deine Kommunikation und somit deine Beziehungen (privat und im Job/Business) positiver gestalten und
- deine Arbeitsergebnisse verbessern kannst.
Das ursprüngliche Werte-Modell stammt von dem deutschen Philosophen Paul Nicolai Hartmann. Schulz von Thun hat es um den Entwicklungsgedanken ergänzt, so dass es für die Analyse der persönlichen Weiterentwicklung und schlussendlich zur Entfaltung des vollen Potenzials anwendbar ist.
Der Grundgedanke ist, dass jede Tugend (oder auch jeder Wert/jede Stärke) einen positiven Gegenpart benötigt und diese beiden Pole in Balance sein sollten, damit die Tugend nicht ins Negative umschlägt. Ist das Gleichgewicht gegeben, sind wir zufrieden, glücklich und ausgeglichen. Wie anfangs beschrieben, hat das positive Auswirkungen auch auf die Beziehungen zu anderen.
Damit du es dir besser vorstellen kannst, siehst du hier eine Grafik des Werte- und Entwicklungsquadrats – sozusagen in seiner Rohform. Keine Sorge, es wird gleich danach konkret anhand eines Beispiels.
Wie du hier siehst, stehen sich die Tugend und positive Schwestertugend gegenüber. Diese beiden sollten ausgeglichen sein. Ist dies nicht der Fall, besteht die Gefahr, dass die Tugend ins Negative kippt. Es gibt also ein „zu viel des Guten“ auch von positiven Eigenschaften.
Wie du das Modell ganz konkret anwenden kannst und vor allem, wo das Entwicklungspotenzial zum Tragen kommt, erfährst du im Folgenden:
- Benenne deine 4 – 5 größten Stärken (oder Werte, oder wie Schulz von Thun sie nennt: Tugenden). Wichtig ist hierbei, dass es gelebte Werte sind. Also Werte, die dich wirklich ausmachen und deinen Charakter bilden. Es geht nicht um Werte, die du nur in der Theorie gut findest, nach denen du aber nicht handelst. Beginne dann die Anwendung des Werte- und Entwicklungsquadrats mit einer beliebigen Stärke.
- Schreibe diese Stärke in das Quadrat oben links (1)
- Überlege dir, was aus deiner Sicht der positive Gegenpol von (1) ist. Hier geht es nicht um eine allgemeingültige Antwort, sondern um dein persönliches Empfinden. Einziges Muss: Tugend und Schwestertugend müssen sich gegenseitig ausschließen. (Die Schwestertugend ist kein Synonym der Tugend!)
- Schreibe die Schwestertugend in das Quadrat oben rechts (2)
- Überlege dir, was von (1) das „zu viel des Guten“ ist. In welche negative Richtung kann die Tugend kippen, wenn sie übertrieben wird?
- Schreibe das „zu viel des Guten“ von (1) in das Quadrat unten links (3).
- Gehe bei der Schwestertugend vor wie unter 5. beschrieben.
- Schreibe das „zu viel des Guten“ von (2) in das Quadrat unten rechts (4). Das ist in der Regel das, wovor du Angst hast (oder das du zumindest sehr unangenehm findest) und dir deswegen dein Wert in (1) so wichtig ist.
Und schon ist dein persönliches Werte- und Entwicklungsquadrat fertig. Du kannst dir weitere für deine anderen Stärken/Tugenden/Werte erstellen.
Hier siehst du eine Grafik anhand eines konkreten Beispiels:
Und nun kommt dein Entwicklungspotenzial zum Tragen:
Wie du in der zweiten Grafik siehst, gibt es zwei diagonale Linien mit je einem Pfeil von unten links nach rechts oben bzw. von unten rechts nach links oben.
Diese beiden Pfeile zeigen an, in welche Richtung du dich entwickeln darfst, um deine Tugend und Schwestertugend in Balance zu bringen. Ist deine Tugend (1) ins Negative (3) umgekehrt, ist dein Weg in Richtung Schwestertugend (2). Genauso läuft die Entwicklung in Richtung (1), wenn (2) in (4) umgeschlagen ist. Du kompensierst (gleichst aus) also das, was zu viel ist, mit dem Gegenpol aus.
Vermeiden solltest du bei der Entwicklung, von einem Extrem (2) zum anderen Extrem (4) zu springen. Das wäre eine klassische Überkompensation, die dich nicht weiterbringen, sondern die Dysbalance nur verlagern würde.
Hier findest du weitere Beispiele für mögliche Tugenden und negativen Übertreibungen, damit es für dich noch anschaulicher wird. Beim Erstellen deiner eigenen Werte- und Entwicklungsquadrate ist es jedoch wichtig, dass du definierst, was deine ganz konkreten gelebten (!) Werte sind und was für dich das „zu viel des Guten“ dabei ist. Das kann nämlich bei dir anderes sein als bei mir oder weiteren Personen.
Tugend zu – viel des Guten
Freundlichkeit – Aufdringlichkeit
Vorsicht – starke Angst
seriöse Zurückhaltung – Distanz/Unnahbarkeit
Großzügigkeit – Verschwendung
Gelassenheit – Gleichgültigkeit
Hast du für deine am stärksten ausgeprägtesten Persönlichkeitsmerkmale (oder auch Eigenschaften/Tugenden/Werte/Stärken) deine ganz individuellen Werte- und Entwicklungsquadrate erstellt, kannst du immer wieder überprüfen, ob deine Werte in Balance sind oder ob du dazu tendierst, in ein Extrem zu verfallen. Anhand deiner Notizen kannst du schnell erkennen, an welcher Stellschraube du drehen darfst, um deine innere Balance wieder herzustellen und deine Kommunikation zu verbessern.
Konkretes Anwendungsbeispiel im Job
Fragst du dich, wie du das Modell ganz konkret anwenden kannst und was es dir bringt? Lass mir dir ein Beispiel für eine Jobsituation geben:
Angenommen, du bist Teamleiter:in und machst dir Gedanken darüber, wie du dein Team gut führen bzw. deinen Führungsstil verbessern kannst. Du betrachtest dazu deine Stärke „Harmonie“. Dir ist es besonders wichtig, ein harmonisches Klima in deinem Team zu haben – dafür tust du viel. Bei einer Übertreibung läufst du jedoch Gefahr, Konflikten aus dem Weg zu gehen, die Augen zu verschließen und in eine oberflächliche Gefühlsduselei abzudriften. Dann sind deine Tugend also „Harmonie“ und das zu viel des Guten „Oberflächlichkeit“.
Dein Team wird dich sicher mögen, weil du viel Wert auf gute Stimmung und Harmonie legst. Im schlimmsten Fall nimmt es bei einem zu viel deines Harmoniestrebens deine Konfliktscheu wahr und vertraut dir nicht, Probleme lösen zu können. Fehlendes Vertrauen in benötigte Führungskompetenzen können Konflikte ins Extrem wachsen lassen und sich negativ auf die Stimmung und die Arbeitsergebnisse im Team auswirken.
Um deinen Wert Harmonie auszugleichen (und damit er nicht in die Übertreibung kippt) brauchst du hier also „konstruktive Konfliktfähigkeit“ als positive Schwestertugend. Bei dieser ist die Gefahr, im zu viel des Guten im „Streit“ zu landen. Das ist das, was du mit dem Wert Harmonie unbedingt vermeiden möchtest und ihn vielleicht deshalb übertreibst. Aber auch das kannst du verhindern, indem du im Blick hast, Harmonie und konstruktive Konfliktfähigkeit in Balance zu halten. Denn durch das eine kommt das andere erst richtig in seine volle Entfaltung.
Lass mich gerne in den Kommentaren oder per E-Mail wissen, wie dir die Arbeit mit diesem Modell gefallen und welche Erkenntnisse du für dich daraus ziehen konntest.
𝐋𝐞𝐛𝐞 𝐝𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐁𝐞𝐫𝐮𝐟𝐮𝐧𝐠!